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Aufwachen-Erleuchtung – mein persönlicher Erfahrungsbericht

Erschienen im „Prismamagazin“ Ausgabe 64  2015

Erwachen, Aufwachen, Erleuchtung – ich hatte davon gehört, dass das etwas mit Indien, Sille der Gedanken und Glückseligkeit zu tun hat. Mittlerweile gab es eine Flutwelle von spirituellen Lehrern zu dem Thema, aber ich fühlte mich nie angezogen. Dann machte ich nach einem Seminar eine ungewöhnliche Erfahrung …

Im Jahre 2011 las ich Texte und sah Videos von einem Lehrer, der verschiedene Methoden anbietet, die das Aufwachen fördern. Als ich das erste Mal zu ihm ging, wollte ich zunächst nur lernen, wie er die Menschen darin unterstützt, Ängste, insbesondere die Angst vor dem Tod, zu verlieren. Das interessierte mich am meisten, weil ich seit über zehn Jahren auf Phobiepatienten, besonders in der Zahnmedizin, spezialisiert war. Aufwachen wollte ich in diesem Leben auch noch, aber erst später.

Das Seminar bestand aus Theorie, Beantwortung der Fragen von Teilnehmern und Übungen. Im Großen und Ganzen war mir das, was der Lehrer sagte, bereits bekannt und auch die praktischen Übungen waren mir nicht fremd. Somit war es einfach für mich, mich auf alles ohne Widerstand einzulassen.

Als ich nach Beendigung des Seminars durch die Tür ins Freie trat, traf es mich völlig unvorbereitet und wie ein heftiger Schlag: Alle Gedanken waren weg. Leere, absolute Leere. Der erste Gedanke, der aus der Stille auftauchte, war dann: „Oh Gott, was ist jetzt los? Na, das wird sicher gleich wieder weg sein.“ War es aber nicht. „Wie komme ich jetzt nach Hause? Kann ich noch Auto fahren?“ Diese absolute Stille hielt zwei Tage lang an und wurde dann durch den Gedanken verdeckt: „Wer, wenn nicht ich, denkt morgen an die tausend Kleinigkeiten in der Zahnarztpraxis?“

Veränderungen im Leben

Monatelang war ich völlig verunsichert in Bezug auf das, was mit mir geschehen war. Viele Phänomene, die der Lehrer in Bezug auf den Aufwachprozess beschrieben hatte, tauchten bei mir nicht auf. Vor allem, dass man eine Erfahrung von „Fallen“ oder „Sinken“ macht und dabei „Todesangst“ verspürt. Es gab keinen „Bliss“, kein Hochgefühl von Glückseligkeit und auch kein reibungsloses Leben. Der Prozess ging weiter wie vor dem Aufwachen. Als ich im Laufe des Prozesses an einige Traumatisierungen aus meiner Kindheit herankam, konnte ich Todesangst fühlen, und erst seitdem fühle ich mich meistens gut. Das bedeutet, dass Stille und Frieden im Hintergrund in meinem Leben immer da sind.

Im Alltag haben sich jedoch sofort nach dem Aufwachen einige Dinge verändert. Die Musik und der Fernseher bleiben aus, weil die Stille schöner ist. Ich lese und telefoniere nicht mehr so viel, weil die Stille schöner ist. Es gibt Trennungen, weil sich das aufgewachte Sein mit der Weltanschauung und dem Lebensstil mancher Menschen nicht vereinbaren lässt. Es gibt neue bereichernde Beziehungen. Auch von etlichen materiellen Dingen habe ich mich getrennt. Es werden nur noch wenige ausgewählte Veranstaltungen besucht. Das gesamte Leben wird langsamer.

Veränderungen in der Arbeit

Im Laufe meiner Arbeit als ganzheitliche Zahnärztin und Heilpraktikerin hatte sich eine neue Methode herauskristallisiert, die „Emotionale- Mentale- Befreiungs- und Integrationstherapie“ (EMBIT), mit welcher ich auch für mich selber täglich arbeite. Darauf führe ich die Tatsache zurück, dass ich bereits bei meinem ersten Kontakt mit einem erwachten Lehrer aufgewacht bin. Ich war vorher nie bei einem „Satsang“ bei einem anderen Lehrer.

Genauso wie das Erwachen für mich völlig unerwartet kam, war es für mich vollkommen überraschend, als die ersten meiner Klienten in meiner Praxis aufwachten. Eine Patientin kam, weil sie einen toten Zahn hatte, den wir unbedingt erhalten wollten. Es stellte sich ein Zusammenhang mit ihrer Mutter heraus, die vor kurzem verstorben war, und mit dem Verlust von zwei Kindern durch Abtreibung bzw. Fehlgeburt. Nachdem diese Frau sich auf den tiefen schmerzhaften Prozess einlassen konnte, wachte sie auf.

Ein Satsang mit über 100 Teilnehmern ist offenbar nicht für jeden der richtige Ort, um aufzuwachen. Nicht jeder möchte seine intimen Themen vor fremden Menschen ausbreiten, so mancher braucht den geschützten therapeutischen Rahmen.

Der Prozess des Erwachens

Ich Laufe der Jahre war ich noch mehrmals bei jenem Lehrer und habe auch Literatur von anderen westlichen Lehrern studiert. Rückblickend kristallisieren sich für mich einige Bausteine heraus, die man für das Aufwachen tatsächlich verallgemeinern kann.

Es erfordert Charaktereigenschaften wie Hingabe, Demut, Dankbarkeit, Ehrlichkeit vor allem in Bezug auf die eigenen Schwächen (Schatten), die Fähigkeit, sich selbst und andere Menschen zu verstehen, sowie die Fähigkeit, sich selbst und anderen verzeihen zu können. Verzeihen ist nicht eine scheinbare Generosität, mit der man sich über die anderen stellt. Verzeihen bedeutet, den eigenen Schmerz loszulassen, ja sogar noch mehr. Es ist ein komplexer emotionaler Prozess, in dem sämtliche sogenannten negativen Gefühle wie Wut, Angst, Schmerz und Scham durchgefühlt werden. Die Folge davon ist, dass man anschließend in Bezug auf die schmerzhafte Angelegenheit einen tiefen inneren Frieden erfährt.

Zusammenfassend stellt sich das Aufwachen für mich anders da, als es von den meisten Lehrern propagiert wird. Es ist nicht ein einmaliger „Bliss“ oder das Anhäufen solcher Ereignisse, das zur ewigen Glückseligkeit führt und alle Probleme aus dem Weg räumt. Vielmehr ist es ein Prozess, der ein Leben lang anhält. Es gilt achtsam zu sein in Bezug auf Versuchungen des Egos (welches nur dem Mind entspringt und nicht real ist, siehe Enneagrammarbeit), das ständig versucht, wiederaufzuerstehen. Es geht nicht mehr um Vorstellungen über das Leben und wie es zu sein hat, sondern um Erfahrungen aus der Stille heraus. Das ganze Leben ist eine Hingabe an Gott, ein Gebet. Das nennt man die „Realisation“ des aufgewachten Seins.

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